Wie macht/schafft ihr das?
Hallo alle zusammen,
ich bin neu hier und brauche einfach mal ein... nennen wir es mal Ventil. Einfach mal einen Austausch mit Menschen, die all das bereits durchgemacht haben oder die Situation kennen. Und vielleicht ein paar Erzählungen, wie es euch mit all dem geht und wie ihr das alles macht und schafft. Bitte entschuldigt, dass dieser Text wohl sehr lang wird. In Zukunft fasse ich mich kurz, versprochen.
Zur Situation:
Bei mir ist es mein Vater, der Probleme mit seinem Gedächtnis hat. Da bereits seine Mutter und auch seine Schwester Demenz hatten, gehen wir stark davon aus, dass es auch bei ihm Demenz ist. Wir, das sind meine Mutter und ich. Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Reise mit Papas Erkrankung. Mama wohnt mit Papa zusammen. Ich wohne 1 Std und 15 Minuten von ihnen entfernt und besuche meine Eltern 1x pro Woche.
Dass Papa Probleme hatte, sich Namen zu merken, das war schon immer so. Dieses Jahr kamen dann Orientierungsprobleme hinzu. Anfangs nur bei den Adressen seiner Kunden. Da Papa über 70 ist dachten wir zuerst, es sei einfach seine Art zu sagen, er geht jetzt langsam in Rente. Denn einfach sagen: ich höre auf. Das könnte Papa nicht. Seine Firma (Dienstleistung im Gartenbereich) war sein ganzer Stolz und er hätte nie einfach gesagt, er hört jetzt auf. Deshalb eben unser Gedanke, dass er sich nun eben so in Rente schickt, ohne diesen aufhören-Satz sagen zu müssen. Das klingt für euch jetzt vielleicht komisch, aber Papa war schon immer etwas eigen in dieser Sache.
Ich habe davon lange nichts mitbekommen, bis es mir Mama mal erzählt hat. Mit Papas Arbeit hatte ich ja nur bei Notfällen oder im Bürobereich etwas zu tun.
Die letzten Monate, in denen er unbedingt noch arbeiten wollte, haben wir dann so überstanden, dass immer jemand mitgefahren ist und ihm geholfen hat. Mal jemand aus meinem Freundeskreis, mal meine Mama, mal ich. Und dann war die Saison ja eh vorbei und das Gewerbe wurde abgemeldet. Natürlich mit seinem Einverständnis.
Vor ein paar Monaten kam auf einmal ein verzweifelter Anruf meiner Mutter, dass Papa sie nicht mehr erkennt und jetzt nach Hause gehen will. Dabei waren sie zu Hause. Ich habe natürlich sofort alles stehen und liegen lassen (in dem Fall mein Date stehen gelassen) und hab mich auf den Weg zu ihnen gemacht. Doch schon nach kurzer Zeit kam ein Anruf mit der Entwarnung. Alles wieder gut.
Da haben wir uns dann ernsthaft Gedanken gemacht. Doch zu einem Arzt wollte Papa partout nicht. Und zwingen konnten und vor allem wollten wir ihn nicht.
Es ging dann monatelang alles gut. Bis vergangenen Sonntag. Da kam spät abends wieder ein Anruf von Mama. Papa erkennt sie nicht mehr und will gehen. Ich habe mit ihm dann am Telefon gesprochen und konnte ihn überzeugen, dass er zumindest bis zum Morgen dort bleibt. Nach kurzer Zeit war dieser "Schub" auch wieder vorbei und wieder alles in Ordnung. Geglaubt hat er Mama während seines Schubs nichts. Mir auch nicht. Aber er hat sich zumindest mit "es ist schon dunkel und spät" überzeugen lassen.
Daraufhin habe ich mich dann durchgesetzt und entschieden: Papa muss zum Arzt.
Dem Hausarzt meiner Eltern traue ich nicht in dieser wichtigen Angelegenheit, denn er hat bei Mama in einer anderen Sache vor einiger Zeit eine schwerwiegende (falsche!) Diagnose gestellt. Bei der Überprüfung dieser Diagnose hat sich herausgestellt, dass es etwas anderes, ungefährliches war.
Aus diesem Grund will ich mit Papas Problem nicht zum Hausarzt. Und habe mich zuerst von der Caritas (Bereich Demenz/Angehörige) beraten lassen und dann bei der Institutsambulants einer psychiatrischen Klinik in der Nähe angerufen, welche Gedächtnissprechstunden/Diagnostik anbieten. Einen Termin habe ich für meinen Vater bekommen. Allerdings erst im März.
Aktuell hoffe ich auf einen baldigen Termin beim Neurologen, mit dem ich mich bereits in Verbindung gesetzt habe, aber noch keinen Termin erhalten habe.
Gestern Abend kam wieder ein Anruf von Mama. Er erkennt sie wieder nicht und hat sich ins Schlafzimmer eingeschlossen.
Bereits bei meinem letzten Besuch habe ich festgestellt, dass Papa Mama auf Fotos jederzeit erkennt, aber eben nicht in real, wenn sie neben ihm steht. Dann hält er sie meist für seine Schwester.
Bei seinem Schub gestern hat er Mama ein Bild gezeigt von ihr und gesagt: das ist meine Frau! Als sie ihm sagte, dass sie das sei, hat er ihr nicht geglaubt. Mama hat mich angerufen, ich habe mit ihm am Telefon geredet. Er hat mich glaube ich weder erkannt noch hat er mir irgendwas geglaubt oder sich beruhigen lassen. Irgendwann hieß es: ihr seid doch alle... ihr könnt mich alle mal. Und er hat aufgelegt.
Nach einiger Zeit war wieder alles in Ordnung und so, als wäre nichts gewesen.
Das zur aktuellen Situation.
Und nun zu meinem "Problem":
Ich komme mir mit meinem "Problem" sehr egoistisch vor und habe ein schlechtes Gewissen meinen Eltern gegenüber. Aber... muss ich nicht auch mein Leben leben? Ich hoffe, ihr verurteilt mich deshalb nicht.
Meine Mama wollte schon immer, dass ich nicht zu weit weg ziehe und in ihrer Nähe bleibe, also in der Nähe meiner Eltern. Mein Papa hat dazu nie viel gesagt. Seit den Problemen von Papa, hat mich Mama wieder darauf angesprochen, ich solle doch in ihre Nähe ziehen.
Ihr müsst wissen, ich habe mich in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, noch nie wirklich wohl gefühlt. Mit 21 bin ich von zu Hause ausgezogen. Bin immer in der Nähe der Eltern geblieben, nie weiter weg als ca. 30 Minuten Fahrtzeit. Als dann eine Beziehung zu Bruch ging, benötigte ich dringend eine Wohnung und war in der neuen Wohnung dann etwas unter 1 Std. Fahrtzeit von meinen Eltern entfernt. Irgendwann ging ich dann der Liebe wegen für ein paar Jahre in die USA, hielt via Skype Kontakt zu meinen Eltern. Und bin dann letztendlich vor ca. 7 Jahren in dem Ort angekommen, in dem ich jetzt wohne.
Insgesamt bin ich ca. 16 x umgezogen. Nirgends fand ich Ruhe, nirgends hab ich mich wirklich wohl gefühlt. Bis ich dann hier in dem Ort angekommen bin, wo ich seit ca. 7 Jahren wohne. Hier fühle ich mich wohl, hier bin ich endlich zur Ruhe gekommen. Ich habe Freunde hier und auch zu den Freunden, die etwas weiter weg wohnen, ist es nicht weiter als 1,5 Std. In meiner Kindheit hatte ich immer nur max. 1 Freundin. Ich mochte die Gegend nicht und mit den Menschen dort kam ich nicht wirklich zurecht. Ländliche Gegend. Durch meine vielen Umzüge hatte ich auch währenddessen nie wirklich Freunde. Hier habe ich nun seit ca. 3 Jahren einen kleinen schönen Freundeskreis, den ich sehr schätze und in dem ich mich sehr wohl fühle. Ich bin endlich angekommen.
Was die Arbeit betrifft, bin selbstständig tätig, schätze aber die Nähe meines Wohnorts zur Großstadt. Denn dies bietet mir eine zusätzliche Sicherheit: sollte meine Selbstständigkeit mal nicht so gut laufen, finde ich dort sehr schnell eine Arbeitsstelle.
Zudem habe ich ein Hobby, was zugleich auch gute Werbung für meine Arbeit ist. Doch dafür brauche ich die Nähe zur Großstadt, denn das Hobby/die Werbung findet dort statt. Und es läuft gut. Sowohl Hobby als auch Beruf. Fast 6 Jahre lang habe ich vieles auf mich genommen, um das alles zum Laufen zu bringen. Habe meine kleine Mannschaft, auf die ich mich verlassen kann (beruflich).
Würde ich wieder in die Nähe meiner Eltern ziehen, würde sich vieles ändern. Ich wäre wieder in einer Gegend, in der ich mich noch nie wohl gefühlt habe. Ich wäre weiter weg von meinem Freundeskreis und vor allem die auch hier schon weiter entfernt wohnenden Freunde würde ich nur noch sehr selten sehen. Die anderen hier in der Nähe wohnenden leider auch, da die meisten von ihnen kein Auto haben.
Arbeiten könnte ich dort aufgrund meiner Selbstständigkeit zwar auch, aber was, wenn es mal nicht so gut läuft? So einfach findet man dort keine Arbeitsstelle, also müsste ich, wie schon damals, Pendeln. Mit einer Fahrtzeit von etwas über 1 Stunde einfach. Zudem könnte ich mein Hobby nicht mehr ausüben, da dies immer mehrmals unter der Woche abends bis spät Abends/nachts in der Großstadt stattfindet. Vor 1 oder 2 Uhr früh wäre ich dann nicht zu Hause, würde ich in die Gegend meiner Eltern ziehen. Es würde somit schlichtweg nicht mehr möglich sein.
Zudem kenne ich meine Eltern. Würde ich nah bei ihnen wohnen, käme ich wohl nur relativ wenig zum arbeiten.
Bitte versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Eltern und möchte natürlich für sie da sein. Aber... muss ich dafür wirklich in ihre Nähe ziehen? Ich bin jetzt 40 und bin endlich angekommen. Habe eine Wohnung, die mir gefällt in einer Gegend, in der ich mich absolut wohl fühle. Endlich auch Freunde. Einen gut laufenden Beruf sowie ein Hobby, das mich glücklich macht und zugleich auch gute Werbung für meine Arbeit ist.
Würde ich wieder in die Gegend meiner Eltern ziehen, wäre wieder alles wie früher. Leben in einer Gegend, in der ich mich nicht wohl fühle. Ohne Freunde oder wenn überhaupt nur mit sehr spärlichem Kontakt.
Meine Eltern hierher holen, also ihnen eine Wohnung hier suchen oder später, wenn es mal so sein müsste, für Papa ein Heim, würde ich natürlich tun. Dann würde ich sie auch öfter besuchen können als nur 1x pro Woche.
Für meine Mama scheint das alles nicht zu zählen. Sie sieht nur: arbeiten kannst du doch von überall. Alles andere ist für sie anscheinend unwichtig.
Meine Eltern gehen schon seit Jahren nirgends mehr hin. 1x pro Woche zum einkaufen und 1x pro Woche zum Friseur. Das ist schon länger so. Einfach, weil sie es so wollen. Wenn ich sie mal animieren wollte oder will, wohin zu fahren mit mir, dann ist das immer ein schwerer Akt. Anfangs war es nur Mama, die am liebsten daheim ist. Jetzt auch Papa.
Sie haben nur wenige Freunde und sehen diese nur äußerst selten. Doch - abgesehen von Papas Problemen jetzt - sagen sie immer (und haben auch immer gesagt) sie sind glücklich so. Und zu Unternehmungen zwingen konnte ich sie ja nicht. Ich habe es immer vorgeschlagen, aber wirklich gewollt haben sie nur selten.
Ich verstehe meine Mama, dass sie mich gern in der Nähe hätte. Ich wohne nur 1 Std. und 15 Minuten von meinen Eltern entfernt. Dass sich das für meine Eltern weit weg anfühlt, verstehe ich natürlich. Aber ich hänge halt auch an meinem Leben, das ich jetzt habe. Ich denke, hätte ich Mann und Kind, stünde die Frage, dass ich in ihre Nähe ziehen soll, auch gar nicht im Raum. Aber als Single...
Wenn meine Mama anruft, weil Papa wieder einen "Schub" hat und sie nicht erkennt, rede ich mit ihm am Telefon. Mal erfolgreich, mal nicht. Zu ihnen fahren, daran denke ich dann natürlich, aber ich höre auf mein Bauchgefühl, das sagt: in seinem "Schub" traut er Mama nicht. Und mir auch nicht. Wenn ich da jetzt auch noch auftauche, dann will er vielleicht wirklich gehen oder läuft weg.
Deshalb rede ich ich mit ihm nur am Telefon. Bei der Beratung hieß es, meine Bedenken seien nicht ganz unbegründet. Deshalb bleibe ich beim Telefonieren und fahre 1x die Woche zu den Eltern. Wenn ich nach Hause fahre, sage ich seit letztem Mal immer nur, ich fahre jetzt arbeiten. Einfach, um Papa nicht auf die Idee zubringen, er wolle jetzt nach Hause gehen. Denn in seinen Schüben weiß er zwar den Ort, in dem er wohnt, erkennt aber nicht, dass er dort ist.
Ich habe ein schlechtes Gewissen, meinen Eltern gegenüber, dass ich nicht in ihre Nähe ziehen will. Und bin jeden Tag, wenn es Abend wird, extrem angespannt. Meine Schultern schmerzen inzwischen extrem und mein Tinitus ist schlimmer geworden. Aus Angst, dass wieder ein Anruf kommt. Denn wirklich tun kann ich nichts, wenn er einen "Schub" hat. Nach einiger Zeit ist der "Schub" dann ja auch wieder vorbei und alles gut. Dann sitzen sie zusammen, sehen gemeinsam fern und gehen dann irgendwann ins Bett.
Aktuell bin ich immer telefonisch für meine Eltern da und fahre 1x pro Woche zu ihnen und verbringe den Tag mit ihnen. Und ich kümmere mich um Arzttermine und alles, was sonst jetzt wegen Papa so anfällt. Ich lasse mich beraten, versuche Arzttermine zu bekommen, lese sehr viel über das Thema usw usw.
Meine Frage an euch:
Wie war es bei euch? Hattet ihr auch ein schlechtes Gewissen? Was habt ihr getan? Und wart ihr auch so angespannt? Was habt ihr dagegen getan?
Bitte entschuldigt diesen sehr langen Text. Aber irgendwie musste ich mir jetzt einfach auch mal alles von der Seele schreiben. Bitte entschuldigt.
ich bin neu hier und brauche einfach mal ein... nennen wir es mal Ventil. Einfach mal einen Austausch mit Menschen, die all das bereits durchgemacht haben oder die Situation kennen. Und vielleicht ein paar Erzählungen, wie es euch mit all dem geht und wie ihr das alles macht und schafft. Bitte entschuldigt, dass dieser Text wohl sehr lang wird. In Zukunft fasse ich mich kurz, versprochen.
Zur Situation:
Bei mir ist es mein Vater, der Probleme mit seinem Gedächtnis hat. Da bereits seine Mutter und auch seine Schwester Demenz hatten, gehen wir stark davon aus, dass es auch bei ihm Demenz ist. Wir, das sind meine Mutter und ich. Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Reise mit Papas Erkrankung. Mama wohnt mit Papa zusammen. Ich wohne 1 Std und 15 Minuten von ihnen entfernt und besuche meine Eltern 1x pro Woche.
Dass Papa Probleme hatte, sich Namen zu merken, das war schon immer so. Dieses Jahr kamen dann Orientierungsprobleme hinzu. Anfangs nur bei den Adressen seiner Kunden. Da Papa über 70 ist dachten wir zuerst, es sei einfach seine Art zu sagen, er geht jetzt langsam in Rente. Denn einfach sagen: ich höre auf. Das könnte Papa nicht. Seine Firma (Dienstleistung im Gartenbereich) war sein ganzer Stolz und er hätte nie einfach gesagt, er hört jetzt auf. Deshalb eben unser Gedanke, dass er sich nun eben so in Rente schickt, ohne diesen aufhören-Satz sagen zu müssen. Das klingt für euch jetzt vielleicht komisch, aber Papa war schon immer etwas eigen in dieser Sache.
Ich habe davon lange nichts mitbekommen, bis es mir Mama mal erzählt hat. Mit Papas Arbeit hatte ich ja nur bei Notfällen oder im Bürobereich etwas zu tun.
Die letzten Monate, in denen er unbedingt noch arbeiten wollte, haben wir dann so überstanden, dass immer jemand mitgefahren ist und ihm geholfen hat. Mal jemand aus meinem Freundeskreis, mal meine Mama, mal ich. Und dann war die Saison ja eh vorbei und das Gewerbe wurde abgemeldet. Natürlich mit seinem Einverständnis.
Vor ein paar Monaten kam auf einmal ein verzweifelter Anruf meiner Mutter, dass Papa sie nicht mehr erkennt und jetzt nach Hause gehen will. Dabei waren sie zu Hause. Ich habe natürlich sofort alles stehen und liegen lassen (in dem Fall mein Date stehen gelassen) und hab mich auf den Weg zu ihnen gemacht. Doch schon nach kurzer Zeit kam ein Anruf mit der Entwarnung. Alles wieder gut.
Da haben wir uns dann ernsthaft Gedanken gemacht. Doch zu einem Arzt wollte Papa partout nicht. Und zwingen konnten und vor allem wollten wir ihn nicht.
Es ging dann monatelang alles gut. Bis vergangenen Sonntag. Da kam spät abends wieder ein Anruf von Mama. Papa erkennt sie nicht mehr und will gehen. Ich habe mit ihm dann am Telefon gesprochen und konnte ihn überzeugen, dass er zumindest bis zum Morgen dort bleibt. Nach kurzer Zeit war dieser "Schub" auch wieder vorbei und wieder alles in Ordnung. Geglaubt hat er Mama während seines Schubs nichts. Mir auch nicht. Aber er hat sich zumindest mit "es ist schon dunkel und spät" überzeugen lassen.
Daraufhin habe ich mich dann durchgesetzt und entschieden: Papa muss zum Arzt.
Dem Hausarzt meiner Eltern traue ich nicht in dieser wichtigen Angelegenheit, denn er hat bei Mama in einer anderen Sache vor einiger Zeit eine schwerwiegende (falsche!) Diagnose gestellt. Bei der Überprüfung dieser Diagnose hat sich herausgestellt, dass es etwas anderes, ungefährliches war.
Aus diesem Grund will ich mit Papas Problem nicht zum Hausarzt. Und habe mich zuerst von der Caritas (Bereich Demenz/Angehörige) beraten lassen und dann bei der Institutsambulants einer psychiatrischen Klinik in der Nähe angerufen, welche Gedächtnissprechstunden/Diagnostik anbieten. Einen Termin habe ich für meinen Vater bekommen. Allerdings erst im März.
Aktuell hoffe ich auf einen baldigen Termin beim Neurologen, mit dem ich mich bereits in Verbindung gesetzt habe, aber noch keinen Termin erhalten habe.
Gestern Abend kam wieder ein Anruf von Mama. Er erkennt sie wieder nicht und hat sich ins Schlafzimmer eingeschlossen.
Bereits bei meinem letzten Besuch habe ich festgestellt, dass Papa Mama auf Fotos jederzeit erkennt, aber eben nicht in real, wenn sie neben ihm steht. Dann hält er sie meist für seine Schwester.
Bei seinem Schub gestern hat er Mama ein Bild gezeigt von ihr und gesagt: das ist meine Frau! Als sie ihm sagte, dass sie das sei, hat er ihr nicht geglaubt. Mama hat mich angerufen, ich habe mit ihm am Telefon geredet. Er hat mich glaube ich weder erkannt noch hat er mir irgendwas geglaubt oder sich beruhigen lassen. Irgendwann hieß es: ihr seid doch alle... ihr könnt mich alle mal. Und er hat aufgelegt.
Nach einiger Zeit war wieder alles in Ordnung und so, als wäre nichts gewesen.
Das zur aktuellen Situation.
Und nun zu meinem "Problem":
Ich komme mir mit meinem "Problem" sehr egoistisch vor und habe ein schlechtes Gewissen meinen Eltern gegenüber. Aber... muss ich nicht auch mein Leben leben? Ich hoffe, ihr verurteilt mich deshalb nicht.
Meine Mama wollte schon immer, dass ich nicht zu weit weg ziehe und in ihrer Nähe bleibe, also in der Nähe meiner Eltern. Mein Papa hat dazu nie viel gesagt. Seit den Problemen von Papa, hat mich Mama wieder darauf angesprochen, ich solle doch in ihre Nähe ziehen.
Ihr müsst wissen, ich habe mich in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, noch nie wirklich wohl gefühlt. Mit 21 bin ich von zu Hause ausgezogen. Bin immer in der Nähe der Eltern geblieben, nie weiter weg als ca. 30 Minuten Fahrtzeit. Als dann eine Beziehung zu Bruch ging, benötigte ich dringend eine Wohnung und war in der neuen Wohnung dann etwas unter 1 Std. Fahrtzeit von meinen Eltern entfernt. Irgendwann ging ich dann der Liebe wegen für ein paar Jahre in die USA, hielt via Skype Kontakt zu meinen Eltern. Und bin dann letztendlich vor ca. 7 Jahren in dem Ort angekommen, in dem ich jetzt wohne.
Insgesamt bin ich ca. 16 x umgezogen. Nirgends fand ich Ruhe, nirgends hab ich mich wirklich wohl gefühlt. Bis ich dann hier in dem Ort angekommen bin, wo ich seit ca. 7 Jahren wohne. Hier fühle ich mich wohl, hier bin ich endlich zur Ruhe gekommen. Ich habe Freunde hier und auch zu den Freunden, die etwas weiter weg wohnen, ist es nicht weiter als 1,5 Std. In meiner Kindheit hatte ich immer nur max. 1 Freundin. Ich mochte die Gegend nicht und mit den Menschen dort kam ich nicht wirklich zurecht. Ländliche Gegend. Durch meine vielen Umzüge hatte ich auch währenddessen nie wirklich Freunde. Hier habe ich nun seit ca. 3 Jahren einen kleinen schönen Freundeskreis, den ich sehr schätze und in dem ich mich sehr wohl fühle. Ich bin endlich angekommen.
Was die Arbeit betrifft, bin selbstständig tätig, schätze aber die Nähe meines Wohnorts zur Großstadt. Denn dies bietet mir eine zusätzliche Sicherheit: sollte meine Selbstständigkeit mal nicht so gut laufen, finde ich dort sehr schnell eine Arbeitsstelle.
Zudem habe ich ein Hobby, was zugleich auch gute Werbung für meine Arbeit ist. Doch dafür brauche ich die Nähe zur Großstadt, denn das Hobby/die Werbung findet dort statt. Und es läuft gut. Sowohl Hobby als auch Beruf. Fast 6 Jahre lang habe ich vieles auf mich genommen, um das alles zum Laufen zu bringen. Habe meine kleine Mannschaft, auf die ich mich verlassen kann (beruflich).
Würde ich wieder in die Nähe meiner Eltern ziehen, würde sich vieles ändern. Ich wäre wieder in einer Gegend, in der ich mich noch nie wohl gefühlt habe. Ich wäre weiter weg von meinem Freundeskreis und vor allem die auch hier schon weiter entfernt wohnenden Freunde würde ich nur noch sehr selten sehen. Die anderen hier in der Nähe wohnenden leider auch, da die meisten von ihnen kein Auto haben.
Arbeiten könnte ich dort aufgrund meiner Selbstständigkeit zwar auch, aber was, wenn es mal nicht so gut läuft? So einfach findet man dort keine Arbeitsstelle, also müsste ich, wie schon damals, Pendeln. Mit einer Fahrtzeit von etwas über 1 Stunde einfach. Zudem könnte ich mein Hobby nicht mehr ausüben, da dies immer mehrmals unter der Woche abends bis spät Abends/nachts in der Großstadt stattfindet. Vor 1 oder 2 Uhr früh wäre ich dann nicht zu Hause, würde ich in die Gegend meiner Eltern ziehen. Es würde somit schlichtweg nicht mehr möglich sein.
Zudem kenne ich meine Eltern. Würde ich nah bei ihnen wohnen, käme ich wohl nur relativ wenig zum arbeiten.
Bitte versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Eltern und möchte natürlich für sie da sein. Aber... muss ich dafür wirklich in ihre Nähe ziehen? Ich bin jetzt 40 und bin endlich angekommen. Habe eine Wohnung, die mir gefällt in einer Gegend, in der ich mich absolut wohl fühle. Endlich auch Freunde. Einen gut laufenden Beruf sowie ein Hobby, das mich glücklich macht und zugleich auch gute Werbung für meine Arbeit ist.
Würde ich wieder in die Gegend meiner Eltern ziehen, wäre wieder alles wie früher. Leben in einer Gegend, in der ich mich nicht wohl fühle. Ohne Freunde oder wenn überhaupt nur mit sehr spärlichem Kontakt.
Meine Eltern hierher holen, also ihnen eine Wohnung hier suchen oder später, wenn es mal so sein müsste, für Papa ein Heim, würde ich natürlich tun. Dann würde ich sie auch öfter besuchen können als nur 1x pro Woche.
Für meine Mama scheint das alles nicht zu zählen. Sie sieht nur: arbeiten kannst du doch von überall. Alles andere ist für sie anscheinend unwichtig.
Meine Eltern gehen schon seit Jahren nirgends mehr hin. 1x pro Woche zum einkaufen und 1x pro Woche zum Friseur. Das ist schon länger so. Einfach, weil sie es so wollen. Wenn ich sie mal animieren wollte oder will, wohin zu fahren mit mir, dann ist das immer ein schwerer Akt. Anfangs war es nur Mama, die am liebsten daheim ist. Jetzt auch Papa.
Sie haben nur wenige Freunde und sehen diese nur äußerst selten. Doch - abgesehen von Papas Problemen jetzt - sagen sie immer (und haben auch immer gesagt) sie sind glücklich so. Und zu Unternehmungen zwingen konnte ich sie ja nicht. Ich habe es immer vorgeschlagen, aber wirklich gewollt haben sie nur selten.
Ich verstehe meine Mama, dass sie mich gern in der Nähe hätte. Ich wohne nur 1 Std. und 15 Minuten von meinen Eltern entfernt. Dass sich das für meine Eltern weit weg anfühlt, verstehe ich natürlich. Aber ich hänge halt auch an meinem Leben, das ich jetzt habe. Ich denke, hätte ich Mann und Kind, stünde die Frage, dass ich in ihre Nähe ziehen soll, auch gar nicht im Raum. Aber als Single...
Wenn meine Mama anruft, weil Papa wieder einen "Schub" hat und sie nicht erkennt, rede ich mit ihm am Telefon. Mal erfolgreich, mal nicht. Zu ihnen fahren, daran denke ich dann natürlich, aber ich höre auf mein Bauchgefühl, das sagt: in seinem "Schub" traut er Mama nicht. Und mir auch nicht. Wenn ich da jetzt auch noch auftauche, dann will er vielleicht wirklich gehen oder läuft weg.
Deshalb rede ich ich mit ihm nur am Telefon. Bei der Beratung hieß es, meine Bedenken seien nicht ganz unbegründet. Deshalb bleibe ich beim Telefonieren und fahre 1x die Woche zu den Eltern. Wenn ich nach Hause fahre, sage ich seit letztem Mal immer nur, ich fahre jetzt arbeiten. Einfach, um Papa nicht auf die Idee zubringen, er wolle jetzt nach Hause gehen. Denn in seinen Schüben weiß er zwar den Ort, in dem er wohnt, erkennt aber nicht, dass er dort ist.
Ich habe ein schlechtes Gewissen, meinen Eltern gegenüber, dass ich nicht in ihre Nähe ziehen will. Und bin jeden Tag, wenn es Abend wird, extrem angespannt. Meine Schultern schmerzen inzwischen extrem und mein Tinitus ist schlimmer geworden. Aus Angst, dass wieder ein Anruf kommt. Denn wirklich tun kann ich nichts, wenn er einen "Schub" hat. Nach einiger Zeit ist der "Schub" dann ja auch wieder vorbei und alles gut. Dann sitzen sie zusammen, sehen gemeinsam fern und gehen dann irgendwann ins Bett.
Aktuell bin ich immer telefonisch für meine Eltern da und fahre 1x pro Woche zu ihnen und verbringe den Tag mit ihnen. Und ich kümmere mich um Arzttermine und alles, was sonst jetzt wegen Papa so anfällt. Ich lasse mich beraten, versuche Arzttermine zu bekommen, lese sehr viel über das Thema usw usw.
Meine Frage an euch:
Wie war es bei euch? Hattet ihr auch ein schlechtes Gewissen? Was habt ihr getan? Und wart ihr auch so angespannt? Was habt ihr dagegen getan?
Bitte entschuldigt diesen sehr langen Text. Aber irgendwie musste ich mir jetzt einfach auch mal alles von der Seele schreiben. Bitte entschuldigt.
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